Das Umrüsten von Maschinen dauert oft länger als man denkt. Umso wichtiger ist die konsequente Rüstzeitoptimierung (Quelle: Adobe Stock, Mongkolchon)

Rüstzeiten optimieren mit Lean-Methoden und Fertigungs-IT

Die Zeit ist in einer modernen Fertigung ein wichtiger Faktor, um die Effizienz zu steigern. Denn jedesmal, wenn der Produktionsablauf unterbrochen wird, kann ein Unternehmen nicht effektiv produzieren. Um die Ausfallzeiten so gering wie möglich zu halten, bietet ein prüfender Blick auf ungeplante Störungen und die Rüstzeiten einen wichtigen Ansatzpunkt zur Optimierung. Dabei ergänzen sich bewährte Lean-Methoden und die Fertigungs-IT.

Rüstwechsel sind zwingend notwendig, um unterschiedliche Artikel auf einer Maschine herzustellen. Jedoch sind diese Vorgänge nicht wertschöpfend, da in dieser Zeit die Maschine stillsteht. Das Ziel sollte also sein, diese Zeiten zu reduzieren. Lassen Sie uns dafür drei Ansatzpunkte betrachten: 

  1. das Optimieren der Abläufe beim Rüstwechsel, 
  2. die Unterstützung durch IT-Tools und 
  3. das Vermeiden von Rüstzeiten durch bessere Planung.

Abläufe beim Rüstwechsel optimieren

Ausgewählte Prozessschritte mit überschaubarem Aufwand zu optimieren, ist oftmals ein erster wichtiger Schritt, um effizienter zu werden. Indem Material und Werkzeuge anders positioniert werden, können oftmals  mehrere Minuten eingespart werden. Um diese Einsparungen messbar zu machen, erfasst idealerweise ein Manufacturing Execution System (MES) die Maschinenstatusmeldungen und damit auch die tatsächliche Rüstzeit. Der Vergleich von Ist- und Zielwerten unterstützt weitergehende Optimierungen bei Rüstwechselabläufen. Lean Manufacturing Methoden bieten dazu eine strukturierte Herangehensweise. Schauen wir uns zwei Beispiele näher an:

Die 5S-Methode ist sowohl für den Arbeitsplatz (z. B. Handmontage) als auch für Rüstarbeiten geeignet. Kurz zusammengefasst geht es darum, nur die Gegenstände im direkten Zugriff zu haben, die der Werker wirklich benötigt („Sortiere aus“). Darüber hinaus gilt es, die Geräte ergonomisch anzuordnen („Stelle hin“), den Arbeitsplatz sauber zu halten („Säubere“), Regeln zur Aufrechterhaltung des definierten Zustands zu entwickeln („Standardisiere“) und dies mittels „Selbstdisziplin“ und Audits für die Zukunft sicherzustellen. Das Ergebnis ist trivial aber durchschlagend: An einem aufgeräumten Platz lässt es sich wesentlich effizienter arbeiten und somit nachhaltig Zeit sparen. 

(Vgl. Jürgen Kletti und Jürgen Rieger, Die perfekte Produktion, 3. Aufl., Springer Verlag 2022)

Die SMED-Methode (Single Minute Exchange of Die) propagiert, Werkzeuge innerhalb weniger Minuten zu wechseln. Ein Rüstwechselvorgang wird in mehreren Durchläufen per Videoaufnahme dokumentiert, strukturiert analysiert, schließlich standardisiert und optimiert. Dabei werden sowohl Tätigkeiten „ausgelagert“ als auch komplett aus dem Plan gestrichen. Sogenannte externe Tätigkeiten wie die Vorbereitung und Nachbereitung werden aus dem eigentlichen Rüstvorgang herausgenommen, um diesen zu verkürzen. Je nach Maßnahme kann dies auch abseits der Maschine oder von einem anderen Mitarbeitenden durchgeführt werden. Als „unnötig“ erkannte Aktionen entfallen komplett aus dem Ablauf. Durch Erproben verschiedener Varianten wird der verbleibende Ablauf so lange optimiert, bis auch hier das zeitliche Optimum erreicht ist. Als letzte und wichtigste Aufgabe bleiben die Dokumentation des neuen Rüstwechselablaufs und das Training der Mitarbeitenden. 

(Vgl. Jürgen Kletti und Jürgen Rieger, Die perfekte Produktion, 3. Aufl., Springer Verlag 2022)

Mehr zum Thema Lean-Methoden erfahren Sie bei Perfect Production.

Einsatz von unterstützenden IT-Tools

Insbesondere bei modernen Maschinen müssen eine Vielzahl von Parametern eingestellt bzw. bei CNC-Maschinen sogar komplette Programme geladen werden. Oftmals erfolgt das manuell. Hierbei ist sicherzustellen, dass die jeweils aktuellen und vor allem freigegebenen Daten an die Maschinensteuerung (SPS) übermittelt werden. Das Heraussuchen der Daten, das Einlesen bzw. Eingeben und schließlich die Überprüfung sind zeitraubende Vorgänge, die zudem fehleranfällig sind. Der Einsatz geeigneter IT-Tools schafft Abhilfe. 

Das manuelle Eingeben von Einstelldaten und Laden von NC-Programmen braucht viel Zeit und ist fehleranfällig. Ein DNC-Tool kann das viel besser. (Quelle: Adobe Stock, Quality Stock Arts)
Das manuelle Eingeben von Einstelldaten und Laden von NC-Programmen braucht viel Zeit und ist fehleranfällig. Ein DNC-Tool kann das viel besser. (Quelle: Adobe Stock, Quality Stock Arts)

Ein DNC-Tool (Distributed Numerical Control) kann sowohl NC-Programme als auch Datensätze von Einstellparametern zentral verwalten. Um zusätzlich die Fehleranfälligkeit zu verringern, bietet sich ein DNC-Modul an, das in ein MES integriert ist. Anhand des anstehenden Arbeitsgangs, den zu produzierenden Produkten und anderen Parametern schlägt das integrierte DNC-Modul das jeweils passende und freigegeben NC-Programm bzw. Einstelldatenset vor. Meist erfolgt dies im Rahmen der Arbeitsgang-Anmeldung am Shopfloor Terminal, sodass der Werker bzw. Einrichter sich auch unnötige Wegzeiten sparen kann. Durch integrierte Editoren können NC-Programme vor Ort mit früheren Versionen verglichen und gegebenenfalls angepasst werden. Ein aktualisiertes oder optimiertes Programm wird dann zur Freigabe in das MES zurückgespielt und steht beim nächsten Mal automatisch wieder zur Verfügung.

Die zentrale Verwaltung von Einstelldatensätzen und NC-Programmen erleichtert zusätzlich die Tätigkeiten der Arbeitsvorbereitung. In der Praxis können – je nach räumlicher Anordnung und anderen Rahmenbedingungen – oftmals mehr als zehn Minuten bei jedem Rüstvorgang eingespart werden. 

(Vgl. Jürgen Kletti und Rainer Deisenroth, MES-Kompendium, 2. Aufl., Springer Verlag 2019)

Mehr über DNC und Einstelldaten mit MES HYDRA X erfahren Sie hier.

Rüstzeiten vermeiden durch bessere Planung

Selbst enorm reduzierte Rüstzeiten bleiben ein „Hindernis“ im effizienten Produktionsablauf. Das Vermeiden von Rüstvorgängen durch eine optimale Reihenfolge von Arbeitsgängen ist allerdings eine Gratwanderung. Einerseits kann durch weniger Rüstwechsel mehr Zeit produktiv genutzt werden. Andererseits leidet oftmals die Flexibilität unter einer derartigen Rüstzeitoptimierung, da Aufträge zusammengefasst werden, um größere Lose am Stück fertigen zu können. Das erhöht die Durchlaufzeit, baut unnötige Bestände auf und gefährdet unter Umständen Liefertermine.

Ein Mittelweg ist hier zielführend: Durch den Einsatz einer Rüstwechselmatrix in der Feinplanung werden Rüstzeiten dynamisch berechnet, um die Reihenfolge der Arbeitsgänge daran auszurichten. Beispielsweise kann eine wesentlich kürzere Rüstzeit angesetzt werden, wenn nur ein Teil des verwendeten Werkzeugs getauscht wird und nicht das komplette Werkzeug. Auch ein Farbwechsel ist meistens schneller durchzuführen als ein Werkzeugwechsel. Wenn die neue Farbe zudem in der gleichen Palette liegt und auch noch dunkler ist als die vorangehende, so kann ein Reinigungsvorgang in der Regel entfallen. Dies spart nochmals Zeit.

In der Rüstwechselmatrix werden die Zusammenhänge zwischen vorangehendem und nachfolgendem Artikel und die damit verbundene dynamische Rüstzeit hinterlegt. Somit kann die Feinplanung mit realistischen Rüstzeiten arbeiten. Da sowohl Ecktermine als auch die dynamische Rüstzeit in der Feinplanung zur Verfügung stehen, kann entweder eine automatische oder manuelle Einplanung der Arbeitsgänge mit Optimierung auf die gewünschten Ziele erfolgen. 

Auch die Feinplanung kann beim Optimieren der Rüstzeiten unterstützen. (Quelle: MPDV, Adobe Stock, Gorodenkoff)
Auch die Feinplanung kann bei der Rüstzeitoptimierung unterstützen. (Quelle: MPDV, Adobe Stock, Gorodenkoff)

Zudem erfahren Einrichter, Werkzeugbau und Materialvorbereitung aus einer systemunterstützt generierten Rüstwechselliste, wann an welcher Maschine ein Rüsten ansteht. Dadurch können die Mitarbeitenden ihre eigenen Aufgaben auf den Produktionsablauf abstimmen. Das spart ebenfalls Zeit.

(Vgl. Jürgen Kletti, Konzeption und Einführung von MES-Systemen, Springer Verlag 2007; Jürgen Kletti und Rainer Deisenroth, MES-Kompendium, 2. Aufl., Springer Verlag 2019)

Mehr über eine zielorientierte Feinplanung mit APS FEDRA erfahren Sie hier.

Weniger rüstzeiten – mehr produzieren

Bei reduzierten Rüstzeiten fallen häufigere Rüstvorgänge weniger ins Gewicht, Losgrößen können verkleinert werden und die Flexibilität der Produktion wächst. Dadurch kann eine größere Anzahl verschiedener Artikel in kürzerer Zeit produziert werden. Darüber hinaus unterstützt Fertigungs-IT wirkungsvoll die Reduzierung bzw. Vermeidung von Rüstzeiten. Insgesamt reduziert sich die Durchlaufzeit – das sorgt für kürzere Lieferzeiten gegenüber dem Kunden, eine Reduzierung der Umlaufbestände und die Verringerung der Zeitanteile ohne eigentliche Wertschöpfung. Letztendlich steigt die Wettbewerbsfähigkeit, da das Produktionsunternehmen seinen Kunden einen echten Mehrwert bieten kann: Flexibilität und attraktive Preise. 

Und wann beginnen Sie mit der Rüstzeitoptimierung?

Übrigens: Die Fachbücher, aus denen für diesen Beitrag recherchiert wurde, stammen von Experten der MPDV Gruppe.