Noch immer erkaufen sich viele Fertigungsunternehmen ihre Flexibilität und Lieferfähigkeit mit hohen Umlaufbeständen – aber zu welchem Preis? Wirtschaftlich betrachtet belasten fertige und halbfertige Produkte die Herstellungskosten enorm. Daher sollten Umlaufbestände so gering wie möglich gehalten werden. Wie das funktioniert und was man dafür braucht, das erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Was sind überhaupt Umlaufbestände und wie entstehen sie? Dazu schauen wir uns mal an, wie die industrielle Fertigung heute funktioniert:
- Die Entscheidung fällt, dass der Artikel A in der Menge 500 hergestellt werden soll.
- Dafür wird ein Fertigungsauftrag angelegt.
- Innerhalb des Auftrags gibt es mehrere Arbeitsgänge, mit denen Artikel A schrittweise hergestellt wird.
- In jedem Arbeitsgang wird entweder das Zwischenprodukt aus dem vorangehenden Arbeitsgang und/oder Rohmaterial aus dem Lager benötigt.
- Somit muss in der Regel Arbeitsgang 1 abgeschlossen sein, bevor Arbeitsgang 2 beginnen kann.
- Bei 500 Stück kann es also zu Verzögerungen kommen. In dieser Zeit liegen halbfertige Artikel in einem Pufferlager.
- Hinzu kommt, dass bei schlechter Planung auch zwischen den Arbeitsgängen immer wieder Wartezeiten anfallen.
Auch wenn die Arbeitsgänge überlappend ausgeführt werden können, werden Halbfabrikate in Puffern gehalten, damit es am nachgelagerten Arbeitsgang nicht zum Materialmangel kommt. Je größer die produzierten Losgrößen sind, desto höher sind in der Regel die Umlaufbestände. Ein ERP sieht das Material in der Fertigung meist nicht. Denn nach dem Ausbuchen verschwindet das Material in einer Black Box namens Produktion und taucht erst als fertiger Artikel wieder auf, wenn er eingebucht wird. In der Zwischenzeit spricht man von Work in Process (WiP) oder Umlaufbeständen. Diese Umlaufbestände kosten ein Fertigungsunternehmen richtig viel Geld.
Vor- und Nachteile von Umlaufbeständen
Umlaufbestände haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Fangen wir mal mit den Vorteilen an:
- Je mehr Material und Halbzeuge im Umlauf sind, desto unwahrscheinlicher sind Unterbrechungen aufgrund von Materialmangel.
- Insbesondere bei kurzfristigen Änderungen und Kundensonderwünschen sorgen Umlaufbestände für Flexibilität – zumindest augenscheinlich.
Allerdings überwiegen die Nachteile von Umlaufbeständen:
- Umlaufbestände binden Kapital, da man bereits Zeit und Material investiert hat, das aktuell aber noch nicht monetarisiert werden kann.
- Umlaufbestände belegen Platz in der Produktion oder in Zwischenlagern.
- Verderbliches Material in Umlaufbeständen bedeutet unnötige Verschwendungen.
- Hohe Umlaufbestände sorgen dafür, dass viel Zeit mit Suchen nach dem richtigen Material verbracht wird.
Kurzum, Umlaufbestände sollten so niedrig wie möglich gehalten werden. Aber wie funktioniert das?
Transparenz als Basis
Wie in vielen Anwendungsfeldern der Produktion ist Transparenz die Grundvoraussetzung dafür, dass man etwas verbessern kann. Ganz konkret: nur, wer seine Umlaufbestände kennt, kann diese reduzieren. Wie bereits bemerkt, ist das ERP hierbei keine große Hilfe, da es die Umlaufbestände nicht kennt. An dieser Stelle braucht es also ein IT-System, das nahe am Fertigungsprozess operiert: zum Beispiel ein Manufacturing Execution System (MES) wie HYDRA X von MPDV.
Das MES weiß, welches Material verbraucht und auch hergestellt wird. In jedem Arbeitsgang gibt es ein Eingangsmaterial (oder mehrere) und ein Ausgangsmaterial. Durch Mengenmeldungen aus der Maschine oder manuelle Teilrückmeldungen können also die Bestände von Eingangs- und Ausgangsmaterial aktualisiert werden. So weiß das System zu jeder Zeit, wie hoch die Umlaufbestände sind. Liegezeiten zwischen den Arbeitsgängen kennt das MES ebenfalls, da jede Aktivität sekundengenau erfasst wird.
MES HYDRA X verfolgt Umlaufbestände und zeigt diese übersichtlich an. (Quelle: MPDV)
Bestände konsequent reduzieren
Um Umlaufbestände zu vermeiden bzw. zu senken, gibt es verschiedene Ansätze. Einer davon kommt aus dem Lean Management und heißt „besser abtakten“. Das bedeutet, dass die einzelnen Arbeitsschritte bereits in der Arbeitsvorbereitung so gestaltet werden, dass Aufgaben nicht komplett sequenziell laufen, sondern sich Arbeitsgänge überlappen können. Ganz konkret, sobald die ersten zehn Teile aus dem ersten Arbeitsgang fertig sind, gehen diese schon mal in den zweiten Arbeitsgang. Dabei ist wichtig, dass die Kapazitäten der einzelnen Arbeitsplätze ähnlich sind. Es bringt in solch einer Konstellation wenig, wenn ein Arbeitsplatz deutlich mehr Teile pro Stunde verarbeiten kann als andere. In solch einem Fall könnte man zum Beispiel die Kapazität der anderen Arbeitsplätze steigern oder einfach zwei Arbeitsplätze gleicher Art parallel anordnen. Durch einen gleichmäßigen Fluss der Teile durch die einzelnen Arbeitsgänge und Arbeitsplätze können Puffer zwischen den einzelnen Stationen abgebaut werden – das reduziert die Umlaufbestände. Die HYDRA X mApp Work Order Controlling visualisiert alle relevanten Daten und Kennzahlen, aus denen sich Optimierungspotenziale beim Ausführen von Aufträgen und Arbeitsgängen ergeben.
Auch das Synchronisieren von Materialfluss und Informationsfluss ist ein wichtiges Thema aus dem Lean Management, mit dem man ganz einfach Puffer einsparen und somit Umlaufbestände senken kann. Hierzu bietet sich eine Wertstromanalyse 4.0 an, bei der die Berater von Perfect Production gerne unterstützen.
Bestände planen
Nicht zuletzt bietet die Feinplanung Potenziale zum Vermeiden von unnötig hohen Umlaufbeständen. Die mApp Predictive Material Planning im Advanced Planning and Scheduling System (APS) FEDRA von MPDV unterstützt dabei, die benötigten Materialien im direkten Bezug zu Ihren Aufträgen und Arbeitsgängen anzuzeigen. Dafür wird sowohl der aktuelle Lagerbestand einbezogen als auch die Mengen, die mit eingeplanten Aufträgen produziert und verbraucht werden. Außerdem kann APS FEDRA beim Einplanen eines Arbeitsgangs die Materialverfügbarkeit prüfen. So sorgt auch die Feinplanung für mehr Transparenz und letztendlich für niedrigere Umlaufbestände.
APS FEDRA kann Material planen – auch Umlaufbestände (Quelle: MPDV)
Fazit
Und was lernen wir daraus?
- Umlaufbestände kosten (unnötig) Geld.
- Je geringer die Umlaufbestände, desto besser.
- Lösungen wie MES HYDRA und APS FEDRA helfen dabei, die Umlaufbestände in den Griff zu bekommen.
- Auch Lean-Methoden können dabei helfen, Umlaufbestände zu reduzieren.
- Bei allem rund um Wertströme und Lean Management unterstützen die Berater von Perfect Production.