Fertigungs-IT heute – MES kann mehr als BDE und MDE

Abkürzungen wie BDE für Betriebsdatenerfassung oder MDE für Maschinendatenerfassung gibt es schon seit vielen Jahren. Und obwohl es mittlerweile modernere Bezeichnungen dafür gibt, hört man diese Begriffe auch heute noch fast täglich – zumindest wenn man sich im Umfeld der Fertigungs-IT bewegt. Ein Manufacturing Execution System (MES) baut auf BDE und MDE auf. Ohne diese Basisfunktionen wären viele andere Aufgaben der Fertigungs-IT kaum zu bewältigen. Lassen Sie uns einmal genauer hinschauen und ergründen, wie es zu modernen Bezeichnungen wie Order Management und Resource Management gekommen ist und was darunter zu verstehen ist.

Fertigungsunternehmen stehen auch heute noch vor der gleichen Herausforderung wie vor 30 Jahren: Es sollen möglichst viele qualitativ hochwertige Produkte mit möglichst geringem Ressourceneinsatz hergestellt werden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, die Fertigungsprozesse transparent zu machen. Denn wenn alle Gegebenheiten bekannt sind, kann man an den richtigen Stellschrauben drehen, um die Abläufe noch effizienter zu machen. Seit knapp 20 Jahren ist ein MES das Mittel der Wahl, um diese Aufgabe zu erfüllen. Lange bevor der MES-Begriff geprägt wurde, gab es bereits BDE- und MDE-Systeme. Der größte Unterschied zum MES war, dass diese Insellösungen nicht miteinander vernetzt waren. Heute wissen wir, dass das wahre Potenzial in der Verknüpfung von Anwendungen und der Integration von Daten liegt. Aber beginnen wir zunächst mit einer einfachen Sicht auf die Dinge.

MDE und BDE sind wichtige Werkzeuge, die in keinem MES fehlen dürfen. (Bildquelle: MPDV, angelehnt an historische Anzeigen aus den 1990er-Jahren)
MDE und BDE sind wichtige Werkzeuge, die in keinem MES fehlen dürfen. (Bildquelle: MPDV, angelehnt an historische Anzeigen aus den 1990er-Jahren)

Aus BDE wird Order Management

Blickt man noch etwas weiter zurück, so findet man heraus, dass es vor der Betriebsdatenerfassung die Auftragsdatenerfassung gab. Das lässt bereits erahnen, warum wir heute von Order Management sprechen. Grundsätzlich befasst sich ein BDE-System damit, Daten zu erfassen, die im laufenden Betrieb einer Fertigung entstehen. Zentrales Objekt ist dabei der Auftrag. Klassische Daten sind hierbei die Zeitpunkte, an denen der Auftrag bzw. einer der damit verbundenen Arbeitsgänge angemeldet, unterbrochen, wieder angemeldet und schließlich abgemeldet wird. Darüber hinaus sind die produzierten Mengen (Gutstück und Ausschuss) sowie organisatorische Unterbrechungen und Störungen von Interesse. Fasst man die Daten mehrerer Arbeitsgänge zusammen, so kann man damit auch mehrstufige Aufträge betrachten.

Auch wenn das E in BDE für Erfassung steht, so geht es doch um mehr, nämlich auch um die Verarbeitung der Daten und deren Auswertung. Zum Beispiel ergibt der Quotient aus Gutstück und Ausschuss die Qualitätsrate, die ein wesentliches Merkmal dafür ist, wie viel Ressourcen effektiv dafür genutzt werden, verkaufbare Produkte herzustellen bzw. wie viel verschwendet wird. Aus den erfassten Zeitpunkten lassen sich Zeitspannen berechnen, die einerseits über die Durchlaufzeit Auskunft geben und andererseits Rückschlüsse auf unnötige Warte- und Liegezeiten zulassen.

Fasst man mehrere Aufträge zusammen, die den gleichen Artikel herstellen, so ermöglichen BDE-Systeme auch Auswertungen auf Basis des Artikels. Zum Beispiel kann man analysieren, welche Artikel am meisten Ausschuss haben und wo die Durchlaufzeit am längsten ist. Mit welchen Maschinen und Werkzeugen ein Artikel hergestellt wurde bzw. welches Material dafür verwendet wurde, das interessiert ein BDE-System in der Regel nicht. Bei Betriebsdatenerfassung geht es um Artikel und Aufträge – daher nennen wir das Aufgabenfeld heute Order Management.

Aus MDE wird Resource Management

Anders sieht es bei einem MDE-System aus. Hier geht es um die Performance und Verfügbarkeit von Maschinen und Werkzeugen. Von Interesse ist, wie lange eine Maschine läuft, welche Störungen auftreten und wie lange, welche Mengen produziert werden. Außerdem geht es darum, wann die Maschine oder das Werkzeug gewartet werden muss. Welche Aufträge bzw. Arbeitsgänge laufen oder welche Artikel hergestellt werden, ist unerheblich. Die Maschinendatenerfassung hat also eine eher technische Sicht auf die Produktion und die genutzten Anlagen, Maschinen und Werkzeuge.

Wie bei der Betriebsdatenerfassung geht es auch bei der Maschinendatenerfassung um mehr als das Erfassen der Daten. Das Auswerten und Analysieren soll die Daten in nützliche Informationen umwandeln. Kennzahlen sind hier eine beliebte Methode, um schnell einen Überblick über die Performance der Maschinen und Anlagen zu bekommen. Allerdings lassen sich nicht alle typischen Kennzahlen rein aus Maschinendaten berechnen. Zum Beispiel beinhaltet die Overall Equipment Effecitveness (OEE) auch Daten aus dem Order Management, zum Beispiel die Qualität. Zudem unterscheidet man bei der Auswertung von Maschinendaten das Condition Monitoring – also die Analyse und Anzeige von Daten in Echtzeit – und die historische Betrachtung ganzer Schichten oder Tage. Je nach implementierter Lösung bietet eine Software auch beides an.

Darüber hinaus ist der Fokus auf Maschinendaten heutzutage deutlich breiter geworden. Das heutige Resource Management betrachtet alle Ressourcen aus technischer und organisatorischer Sicht. Dazu gehören auch Prozessdaten, das Energiemanagement sowie die Verwaltung von NC-Programmen und Einstelldaten. Somit kann das Resource Management alles, was auch die Maschinendatenerfassung kann und noch viel mehr.

Horizontale und vertikale Integration

Wie bereits angedeutet vervielfacht das Verknüpfen und Korrelieren von Daten deren Mehrwert. Man spricht hier auch von Integration und unterscheidet zwischen horizontaler und vertikaler Integration. Ein MES profitiert von beiden Arten der Integration. Die vertikale Integration bildet die Basis für den Datenfluss aus dem ERP-System in den Shopfloor und zurück. Dabei erfüllt das MES eine wichtige Funktion – das Übersetzen der Daten in die passende Granularität. Einfacher gesagt: Die allgemeinen Anforderungen aus dem ERP werden für den Shopfloor konkretisiert und die detaillierten Daten aus dem Shopfloor für das ERP-System aggregiert.

Die horizontale Integration sorgt dafür, dass sich einzelne Anwendungen innerhalb eines MES oder auf gleicher Ebene miteinander verstehen. So können zum Beispiel die per MDE erfassten Mengen in der BDE als Basis für die Auftragsrückmeldungen genutzt werden. Andersherum helfen Daten aus der Auftragsmeldung (BDE) dabei, das passende NC-Programm in die Maschine zu laden (MDE). Ein weiteres Beispiel ist der spezifische Energieverbrauch. Dieser gibt an, wie viel Energie für die Herstellung eines bestimmten Artikels benötigt wurde. Ohne das Korrelieren von Daten wäre diese Berechnung nicht möglich.

MES zwischen ERP und IIoT

Seit einiger Zeit gesellt sich ein weiterer Mitspieler zum Team MES und ERP – das Industrial Internet of Things (IIoT). Immer wieder hört oder liest man, dass das IIoT ein MES ablösen würde – das ist definitiv nicht der Fall. Vielmehr erweitert das IIoT das Netz aus Anwendungen und bereichert die Fertigungs-IT mit seinen Daten. Neben den Aufträgen und Vorgaben aus dem ERP erhält das MES nun deutlich mehr technische Daten und Informationen aus dem Shopfloor. Daraus ergibt sich eine Darstellung der überlappenden Sichtweisen auf die Produktion:

  • Das ERP ist für betriebswirtschaftliche Aspekte zuständig – hier geht es um die Bestellungen der Kunden, um Rechnungen und um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
  • Das MES hat einen organisatorischen Fokus und sorgt dafür, dass die Abläufe in der Produktion transparent und effizient sind. Hier gilt es Verschwendungen wie Wartezeiten oder Ausschuss zu vermeiden.
  • Das IIoT hat eine technische Sicht auf die Dinge. Hier geht es um die Auslastung von Maschinen und Anlagen sowie um deren Performance. Erst das Zusammenwirken aller drei Sichtweisen macht aus einer Fertigung eine echte Smart Factory.
MES und IIoT teilen sich viele Aufgaben und profitieren voneinander. Weitere Systeme wie ein ERP ergänzen die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Produktion. (Bildquelle: MPDV, angelehnt an CIM Aachen)
MES und IIoT teilen sich viele Aufgaben und profitieren voneinander. Weitere Systeme wie ein ERP ergänzen die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Produktion. (Bildquelle: MPDV, angelehnt an CIM Aachen)

Lösungsansatz: Integrationsplattform

In der Smart Factory müssen also immer mehr Anwendungen miteinander kommunizieren – sei es innerhalb eines MES oder über dessen Grenzen hinweg. Um die Anzahl der dafür nötigen Schnittstellen zu reduzieren, bietet sich einen Plattformarchitektur an, die MPDV in Form der Manufacturing Integration Platform (MIP) zu einem am Markt verfügbaren Produkt geformt hat. Hier sind die Daten selbst eine semantische Schnittstelle für alle beteiligten Anwendungen. Auch das MES HYDRA X von MPDV basiert auf dieser Integrationsplattform und tauscht Daten zwischen den einzelnen Apps über die MIP aus. Außerdem können Anwender der MIP aus einem stetig wachsenden Ökosystem flexibel Anwendungen auswählen und diese mit den MPDV-Produkten verbinden. So wird aus einer ehemals einfachen Kombination von BDE und MDE ein flexibler und zukunftsfähiger Lösungsraum für die Smart Factory.

Wie auch Ihr Unternehmen von einem modernen Manufacturing Execution System profitieren können, erfahren Sie hier.